Für die „Bunte Liste“ hat in diesem Jahr der Stadtrat Alexander Kiss folgende Rede im Stadtrat gehalten.
„Die Haushaltsberatungen sind tot! Es lebe der Stadtumbau!“
1. Das waren noch Zeiten …
… als wir alljährlich mit Peter Sternbeck und Herrn Rupflin gerungen haben, ob das Hauptamt nun 10 oder 20 Computer braucht,
ob Herr Gfall einen kleinen oder großen Bagger kaufen darf,
oder ob Herrn Hemkens weiterhin zugemutet werden kann, mit uralten Fahrzeugen zu arbeiten.
Diese für Haushaltsberatungsromantiker herrlichen Zeiten sind ab den Haushaltsberatungen 2015 definitiv vorbei.
Die diesjährigen Hausberatungen waren geprägt vom Blick auf das Ganze, das Große und Diskussionen über Ideen, Modelle und Strategien.
Das waren sie früher zwar auch schon, aber dieses Jahr war es besonders prägnant.
2. Unsere Stadt ist offen für Neues und stellt sich neu auf, um ihre Aufgaben zeitgemäß zu erledigen und die anstehenden Probleme zu bewältigen.
Initiativ und innovativ ist die Stadt aber nicht erst seit heute.
Bereits vor zehn Jahren wurden die ersten Weichenstellungen getätigt durch …
- Einführung der Budgetierung in vielen Bereichen der Stadtverwaltung
- Stopp der Neuverschuldung (Netto-Neuverschuldung = 0)
- Solide Haushaltspolitik. Es wurden Rücklagen gebildet, die es uns nun ermöglichen, zu gestalten, anstatt nur Mangel zu verwalten.
- Wirklichen Schuldenabbau. Tatsächliche Schuldentilgung sowie kluges Zinsmanagement der Kämmerei haben dazu geführt, dass die Zinsbelastung weitersinken wird, und zwar auf 1,2 Mio € in 2015! (früher 1,6 Mio €).
3. Historische Weichenstellungen
Im jetzt vorliegenden Haushaltsplan der Stadt Lindau sind zwei wichtige und historische Weichenstellungen enthalten, die sich mittelfristig für unsere Stadt nicht nur finanziell, sondern auch kulturell, identitätsstiftend positiv und nachhaltig auswirken werden.
- Zum 1. Januar 2015 nehmen zwei neue Eigenbetriebe der Stadt Lindau formal ihre Arbeit auf – der Eigenbetrieb „Immobilien Management Lindau“ und der Eigenbetrieb „Garten- und Tiefbaubetriebe Lindau“.
- Der Eigenbetrieb „Immobilien Management Lindau“ entzieht zwar einerseits dem Haushalt 330.000,00 € an Mieteinnahmen. Andererseits ergeben sich aber erhebliche Einsparungen im Vermögenshaushalt. Mittelfristig werden unsere Immobilien endlich nachhaltig bewirtschaftet und angemessen instand gehalten.
- Allein durch die Schaffung des Eigenbetriebs „Garten- und Tiefbaubetriebe Lindau“ gelingt es der Stadt Lindau auf sensationelle Art und Weise die jährlichen Personalausgaben von fast 17 Millionen € auf 12,6 Millionen € zu senken.
Das Auslagern von Ausgaben in neue Eigenbetriebe ist aber kein Taschenspielertrick zur Schönung oder Vertuschung von Haushaltszahlen.
Die Bündelung der Sach- und Personalkosten im neuen Eigenbetrieb wird dazu führen, die seit jahrzehntelang vorhandenen und von vielen Bürgern gewünschten oder als selbstverständlich erachteten Leistungen von Bauhof und Stadtgärtnerei transparent, vergleichbar und somit überprüfbar zu machen.
Hierwird es für Mitarbeiter, Bürger, Verwaltung und Stadträte neue, hilfreiche Erkenntnisse und Selbsterkenntnisse geben in Bezug auf Qualität, Quantität und Kosten der Leistungen, die städtische Mitarbeiter erbringen.
4. Schön an dieser neuen Konstellation ist auch, dass wir Stadträte uns nicht mehr (oder nur noch gelegentlich) um das „Klein-Klein“ kümmern oder gar in die Geschäfte und Entscheidungen von Werk- und Amtsleitern einmischen müssen.
Noch mehr finanzielle Entscheidungen als bisher werden künftig von denjenigen autonom getroffen werden, die ihre Arbeit, Mitarbeiter und konkreten Verhältnisse in Lindau kennen.
Diese Mitarbeiter erhalten erweiterte Möglichkeiten zur Selbstbestimmung sowie weitere Spielräume und Freiheiten gegenüber Wünschen und Vorschlägen aus der Politik.
Wer nun bedauert, dass der Einfluss oder gar das Primat der Politik schwindet, dem sei erklärt:
Seit Jahren halten wir Bunten es für richtig und wichtig, dass die Politik entscheidet, WAS gemacht wird – aber WIE dieses WAS gemacht wird, also die Umsetzung, – das entscheidet die Verwaltung selbst!
Und eine gewisse Freude dürfen wir uns hier ruhig gönnen.
Streit und Ärger der Vergangenheit, ob z.B. der Bauhofchef das von ihm sehnlichst gewünschte Schneeräumfahrzeug bekommt, darf er künftig mit Herrn Kattau ausfechten und nicht mehr mit uns Stadträten.
5. Haushaltsberatungen werden sich künftig vereinfachen.
Gleichwohl werden sie weder überflüssig sein noch abgeschafft werden.
Es bleibt die wichtigste Aufgabe des Stadtrats, die zentralen Planzahlen und Daten, die Einnahmen und Ausgaben der Stadt festzulegen und zu gewichten.
6. Zustimmungsfähige Haushalte in der Vergangenheit
Als Bunte Liste haben wir die letzten Jahre den jeweiligen Haushalten gerne zugestimmt, weil die Stadt stets sehr viel Geld für richtige und gute Dinge ausgab im Bereich Sport, Soziales, Kultur.
Auch waren die letzten Jahre keine überflüssigen Großprojekte auf der Agenda.
Die Großprojekte, die es gab, fanden unsere volle Zustimmung, wie etwa die Sanierung der Grund- und Mittelschule Reutin.
7. Das Gute im Haushalt 2015
Auch im Haushalt 2015 gibt es wieder Bereiche, in denen die Stadt ihre bescheidenen Mittel gut und richtig angelegt.
- Für Kinder, Jugend, Sport geben wir 2,8 Millionen € mehr aus als wir einnehmen.
- Im Kulturamt werden über 200.000 € mehr ausgegeben als eingenommen. Denn Kultur ist Nahrung für die Seele.
- Wir freuen uns, dass die Zinsausgaben im Vergleich zum Jahr 2014 um weitere 200.000 € sinken werden, was unseren Handlungsspielraum um 200.000 € erhöht.
- Für diesen Haushalt spricht auch die weitere Schuldentilgung in Höhe von 600.000 €.
- Neben dem Großprojekt „Inselhalle“ vergessen wir auch nicht unsere Vereine. So findet sich im Haushalt auch ein Zuschuss von 200.000,00 € für ein neues Vereinsheim.
8. Das Schlechte im Haushalt 2015
Trotz positiver Ansätze hat der Haushalt 2015 zwei sehr gravierende Mängel.
(1) Mangel Nr. 1: Im Regiebetrieb „Parkraumbewirtschaftung“ sind für den Bau eines Parkhauses an der Inselhalle 950.000 € vorgesehen.
(2) Mangel Nr. 2: Für die Bahnunterführung am Langenweg sieht der Vermögenshaushalt Ausgaben in Höhe von 4,6 Millionen € sowie eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 12,3 Millionen € vor.
10. Parkhaus und Bahnunterführung Langenweg sind schwere Fehlentscheidungen, weil hier die Weichen grundlegend falsch gestellt werden.
- Die vorgesehenen Projekte sind städtebaulich eine Katastrophe.
- Verkehrspolitisch sind beide Projekte Relikte aus den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts, in denen es galt, autogerechte Städte zu schaffen.
- Finanziell sind sie für Stadt und Steuerzahler ein Debakel.
a) Auch wenn die Langenweg-Unterführung von Bahn und Land in hohem Maße bezuschusst wird, sind es dennoch Steuergelder, die hier für eine unsinnige Verkehrsplanung ausgegeben werden.
Wer hier jetzt, wie neulich im Kreis geschehen, mit dem Argument der Sicherheit argumentieren will, dem sei gesagt, dass das Problem an dem Bahnübergang Langenweg ein von der Bahn geschaffenes Sicherheitsrisiko darstellt, weil die Bahn in Lindau die letzten drei Jahrzehnte nichts in moderne Schrankenanlagen, Signaltechnik investiert hat.
Automatische Schrankenanlagen sind möglich, machbar und insgesamt preiswerter.
b) Für ein Parkhaus an der Inselhalle für knapp 400 Fahrzeuge wird die im Regiebetrieb Parkraumbewirtschaftung vorhandene Rücklage in Höhe von 2,6 Millionen € sinnlos verschwendet.
Uli Kaiser hat über viele Jahre versucht, die Idee des Sparbuchs Parkraumbewirtschaftung mehrheitsfähig zu machen. Seine Argumente und Warnungen gelten immer noch.
Angesichts des bislang geschätzten Investitionsvolumens von 42 Millionen € und angesichts der Erfahrung, dass sich Großprojekte in der Regel nicht an den Kostenrahmen halten, den Politik und Planer glauben vorgeben zu können, täten die Stadt und der Stadtrat gut daran, sich entsprechende Finanzreserven gut aufzubewahren.
Aktuelles Landkreisbeispiel: Hutmuseum Lindenberg: Hier waren ursprünglich Kosten in Höhe von 7 Millionen € vorgesehen, die tatsächlichen Kosten belaufen sich inzwischen auf 10 Millionen €.
Unser Beispiel vor Ort: Die Gesamtkosten für die Sanierung Grund- und Mittelschule haben sich aufgrund der Preissteigerung seit dem Jahr 2011 erhöht. Die Hochrechnung geht derzeit von einer Baukosten-Steigerung von 4 % aus.
Laut Baupreisindex liegt die allgemeine Kostensteigerung zwischen 2011 und 2014 regional sogar bei ca. 8 %.
Für das Projekt „Inselhalle“ bedeutet das, dass wir jetzt schon bei einer günstig gerechneten 4%-igen Baukostensteigerung von Mehrkosten in Höhe von ca. 1,6 Millionen € und bei einer regional üblichen Baukostensteigerung von 8 % von Mehrkosten in Höhe von 3,2 Millionen € ausgehen dürfen.
Also, wir tun gut daran Reserven nicht für unsinnige Projekte zu verplanen, sondern aufzuheben und die konkrete Baukosten- und Baupreisentwicklung beim Inselhallenprojekt abzuwarten.
Die Bunte Liste muss nach gründlicher Gesamtabwägung den Haushalt 2015 ablehnen.
Alexander Kiss
Nicht fehlen darf abschließend auch unser Dank an den Oberbürgermeister und die Kämmerei für die wie immer gute und solide Haushaltsvorbereitung!
Der bunte Dank gebührt auch allen MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung, Stadtwerke, Stadtverkehr, Bäderbetriebe, Seniorenheim Reutin, GWG, EIML, GTL, LTK & TKL.