Lindau und Bazien – Erinnerungsarbeit für den Frieden ist nötig!

Bereits mehrfach hat die Bunte Liste im „Hoyboten“ über die Hintergründe zum Namen der „Bazienstraße“ berichtet. Da sich nun jüngst die Stadt Lindau wieder damit schwer tut, eine angemessene Form der Erinnerungsarbeit zu finden und ihren Beitrag dazu zu leisten, den Frieden zwischen den europäischen Staaten durch die Abkehr von ehedem kriegsverherrlichenden Worten und Taten (auch der ehemaligen Vertreter der Stadt Lindau) zu fördern, bringen wir hier nochmals einen umfassenden Überblick über das historische Geschehen im 1. Weltkrieg. (up)

„Der Weg führte durch das immer noch brennende Bazien“

Lindauer Tagblatt vom 2. August 1914 zum Beginn des 1. Weltkrieges.

Seit August 1914 wurde das in Lindau und Kempten stationierte 20. bayerische Infanterieregiment Prinz Franz im 1. Weltkrieg zum Angriff gegen Frankreich eingesetzt. Im Dreieck Strasbourg – Epinal – Lunéville griff es von Baccarat kommend auch das kleine Dorf Bazien an. Das von Oberst Hugo Höfl 1929 „nach den amtlichen Kriegstagebüchern“ verfasste Buch über „Die Zwanziger“ enthält dazu u.a. folgende im Geiste einer weiter gepflegten Franzosenfeindschaft geschriebenen Zeilen.

Erneuter Transport von Soldaten in den Krieg ab Hauptbahnhof Lindau am 29. September 1915. Foto: Sammlung Schweizer

„Der 25. August – der Namenstag S. M. des Königs – sollte unserem Regiment die bisher schwerste Aufgabe des Krieges bringen (…) Die 7. Armee, der wir unterstanden, hatte den Befehl, am 25. August in Fortsetzung der Verfolgung weiter nach Süden vorzudringen…
Die Spitzenkompanie musste schwache feindliche Schützen vertreiben, die den Nordsaum besetzt hatten. Dann ritt das 4. Chev.Rgt. zur Aufklärung durch den Wald auf Bazien voraus, stieß aber, noch ehe es den Südausgang erreicht hatte, auf feindliche am Waldrand entlang marschierende Infanterie (…) Es war das französische Jäg.Batl. 31 (…) Die Hörner blasen, die Tamboure schlagen ein, die Fahne wird entfaltet. So stürzt sich – wie im Frieden oft geübt – das Bataillon mit Hurra auf den Feind.
‚Ein wütendes Gewehrfeuer empfing uns – berichtete ein Mitkämpfer in der Allgäuer Kriegschronik. – Hinter jedem Busch kracht und blitzt es, von den Bäumen herunter, aus dem grünen Moos des Bodens, hinter jeder Bodenwelle lag so eine verdammte Rothose (franz. Soldat, K.S.)…

Frauen mit einem Kind im kriegszerstörten Bazien im Jahre 1915. Foto: Nachlass Bazien von Estro Strohschänk in der Sammlung Schweizer.

Die Franzosen werden in einem ungeheuren Anlauf überrannt und hinausgetrieben auf die freien Höhen vor dem Wald. Hui, und nun hin auf den Boden! Rasch in Deckung! Verfolgungsfeuer! Und während noch die Brust keuchte und nach Atem rang, da donnerte es aus Hunderten von Zwanziger-Flinten, dass uns das Herz im Leibe lachte. Ja, wie die Kerls den Berg hinaufliefen. Himmel noch mal, das war ein Anblick, und wie unsere Kugeln hineinsetzten in die hüpfenden und springenden Reihen! Wie sie übereinander purzelten an den grünen Hängen! Und mit fliegenden Pulsen und jagendem Atem gings wieder hinterdrein. Hinauf! Dort hinauf, wo sich jetzt die letzten Franzosen unserem Feuer zu entziehen suchten!’
So gelangte das Bataillon auf die Höhe dicht nördlich Bazien (374) der gegenüber der Feind den Dorfrand besetzt hält. Um die Mittagszeit ist auch der Ort genommen. Die französische Infanterie hatte schwerste Verluste erlitten. Zu Dutzenden lagen die offenbar gänzlich überraschten Rothosen zumeist tot, aber auch verwundet am Waldrande und der freien Fläche davor…
Aber da, wo der Feind aus Südosten und Osten näher an die sich steil abdachenden Hänge ostwärts Bazien herangekommen war, konnten ihn unsere Kanonen mit ihrer flachen Flugbahn nicht erreichen (…) Das inzwischen vom 11. Batl. mit Bravour genommene Bazien lag unter dem sehr ergiebigen Feuer der französischen Artillerie…
Auch am 26. August bestand auf deutscher und französischer Seite die gleiche Absicht, den Angriff fortzusetzen (…) Da kam aber dann Befehl, in den Grund ostwärts Bazien zwischen Höhe 374 und 356 zu rücken. Der Weg führte durch das immer noch brennende Bazien, sodass die Glut der Flammen uns fast sengte beim Durchmarsch. Eine Unmenge toter Pferde mit den entsetzlichsten Verwundungen lag krepiert in den Straßen. Stumme Zeugen des gestrigen Tages.“

Todesanzeige für den am 25. August 1914 gefallenen Lindau-Aeschacher Gärtner
Wilhelm Griesinger im Lindauer Tagblatt vom 16. September 1914.

Zu den aus Lindau und Umgebung stammenden Toten aus dem Morden rund um Bazien gehörten u.a. der 23-jährige Ingenieurstudent Richard Stolze, der 24-jährige Buchdrucker Gebhard Geiger, der 27-jährige Bahnsekretär Eberhard Zeitter, der 22-jährige Landarbeiter Josef Mesmer aus Unterreitnau und Johann Merk aus Hege.
Kriegstrunken bedankte sich Bataillonskommandeur Major Aschenauer in einem am 18. September 1914 im Lindauer Tagblatt veröffentlichten Brief für die von der Stadt Lindau und dem hiesigen Roten Kreuz erhaltenen Lebensmittelspenden u.a. mit dem Satz: „Bei Bazien haben wir am Königstag für unsere jungen Farben herrliche Lorbeeren erworben.“

Karl Schweizer