Wie jedes Jahr wird der Haushalt 2020, den die Verwaltung aufstellt, in den Haushaltsreden der Fraktionen gewürdigt, kritisiert und in den Haushaltsberatungen diskutiert. Uli Kaiser hat dieses Jahr die Haushaltsrede gehalten:
Uli Kaiser: Werter Herr Oberbürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen,
gerne möchte ich dieser Haushaltsrede den Dank an diesen Stadtrat, verbunden mit den besten Weihnachtswünschen, vorausschicken. Trotz aller, zum Teil doch sehr unterschiedlichen Vorstellungen über den richtigen Weg für eine gute Entwicklung Lindaus hatten wir in den vergangenen sechs Jahren ein gutes Miteinander. Uns ist klar, dass es für Euch Kollegen nicht leicht ist, wenn wir immer alles besser wissen, unsere Leidenschaft für Transparenz geht Euch auf die Nerven und, ganz aktuell, auch die Formulierungen unserer Pressemitteilungen.
Aber glaubt mir, wenn man sich, wie die Bunte Liste, seit über 20 Jahren für soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz einsetzt, war Euer Abstimmungsverhalten für uns häufig Anlass in die Tischkante zu beißen.
Um sich allmonatlich hier zu treffen und gesittet zu debattieren, braucht es deshalb vor allem: Toleranz! Danke auf dafür.
Wie schon in den vergangenen Jahren waren die Haushaltsberatungen ihren Titel nicht wert. Das Zahlenwerk war wohlvorbereitet und, dank der immer noch guten städtischen Einnahmen, geräuschlos durch die Verwaltungsmaschinerie auf unseren Tisch gelangt. Einen Grund zur Ablehnung fanden wir nicht.
Fahrradstraße
In der Beratung sorgte dann nur die „Fahrradstraße“ durch Schachen für Gesprächsbedarf. Während der Wortmeldung unseres Bürgermeisters Uwe Birk erschien das Bild seines PS-starken Dienstwagens, ausgebremst von Gruppen von Radlern, vor unserem inneren Auge. Aber der Hinweis auf die üppigen Zuschüsse für die Umwandlung einer kaputten Ortsstraße in eine neue Fahrradstraße verschaffte diesem wichtigen Baustein zur Verkehrswende die nötige Mehrheit. Interessant ist, dass diese Steuergelder aus dem Umweltministerium kommen. Vielleicht sollte man das Bundesverkehrsministerium im Ressort Umwelt aufgehen lassen.
Dann wäre auch das Problem „Verkehrsminister Scheuer“ elegant gelöst.
Schulen
Die Entwicklung unserer Schullandschaft, die vor den Haushaltberatungen Aufregerthema in der Stadt war, ist mit einem Platzhalter vertreten. Hier stehen wir vor der Herausforderung, eine nachhaltige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu organisieren. Denn die ersten Kinder, die diese neuen oder sanierten Schulen besuchen, werden erst gerade geboren.
Den Vorschlag, eine Arbeitsgruppe aus Verwaltung und Politik zu bilden, halten wir für zielführend. Hier gilt es aber keine Zeit zu verlieren. Also bitte nicht auf die Neusortierung des Stadtrates warten, sondern umgehend beginnen. Wir brauchen Sofortmaßnahmen an der Grundschule in Reutin und im Zech, die schon zum Schuljahresbeginn 2020 greifen müssen.
Kindergärten
Einhellig stimmt der Stadtrat für die weiteren Investitionen in die Kinderbetreuung. Dieser Schwerpunkt unseres Haushaltes, der sich nun schon seit mehreren Jahren etabliert hat, ist in Zeiten immer knapper werdender Fachkräfte eine wichtige Investition in die Zukunft dieser Stadt. Aus Sicht der Bunten Liste ist es aber zwingend notwendig, bei Sanierungen oder Erweiterungen bestehende Grünflächen zu schonen und im Bestand zu investieren. Selbst wenn dafür unbequeme Übergangsquartiere genutzt werden müssen. Besonders kritisch reagieren wir, wenn wir Grundstücksspekulationen, wie z.B. bei der Villa Lugeck, vermuten müssen.
Cavazzen
Die Sanierung des Cavazzen geht in die heiße Phase. Als Mitglied des Projektausschusses sehe ich hier, dass eine engere Verzahnung von Politik und Projektleitung dringend geboten ist. Das Gesamtprojekt hat ja ein beeindruckendes finanzielles Volumen erreicht. Nüchtern betrachtet ist es aber „nur“ die Sanierung eines alten Bürgerhauses. Der Zustand dieses Hauses ist in der Grundsubstanz als gut zu bezeichnen. Mit Beginn der Umbauphase muss nun eisern auf die Einhaltung der Kostenberechnung geachtet werden. Man möge es meiner beruflichen Herkunft verzeihen, dass ich den Verdacht hege, dass aktuell gerade jene am Bau Beteiligten die Kosten in die Höhe treiben, die selber nie ein Werkzeug benutzen werden.
Wir sind gerne bereit, die Projektleitung bei der wichtigsten Tätigkeit im nächsten halben Jahr zu unterstützen: Beim „Nein“-Sagen – Deshalb: „Nein“ zu weiteren Änderungen, die den Umbau verteuern würden. Diese Unterstützung sollte zumindest im Jahr 2020 in jedem Bauausschuss stattfinden.
Gartenschau
Auch bei der Gartenschau wäre eine engere Verzahnung von Politik und Verwaltung wünschenswert. Vielleicht kann dieses ja auch ohne Sitzungstermine, mittels der neuen Medien, erreicht werden: gerade, wenn das Projekt unter fadenscheinigen Gründen bekämpft wird. Die Aktion der Einzelhändler ist geprägt von kurzsichtigen Eigeninteressen und wird wie der Kinderfeststreik ein Eigentor. Dabei sind es der Einzelhandel und die Gastronomie, die mit Sicherheit und ohne eigenes Risiko von der Gartenschau profitieren.
Erbpacht
Die Arbeitsteilung mit meinem Freund Alexander Kiss bei den Haushaltsreden der vergangen 23 Jahre hat zur Folge, dass ich immer in den ungeraden Jahren und damit häufig vor Wahlen dran bin.
So könnte dies, wenn es der Wille der Wahler*innen ist, meine letzte Haushaltsrede sein. Unter dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ möchte ich auch dieses Jahr die Gelegenheit nutzen, um gegen den weiteren Verkauf von städtischen Grundstücken zu appellieren. Mit dieser Forderung befindet sich die Bunte Liste in guter Gesellschaft mit den sozialdemokratischen Urgesteinen Hans Jochen Vogel und Christian Ude.
Jeder Verkauf schraubt die Bodenpreise nach oben und damit auch die Mieten. Und wenn als Argument gegen die Erbpacht die „Nachteile“ für die Pächter*innen im Vergleich zum Kauf genannt werden, so sei mir doch die Frage in die Runde gestattet, welche Interessen wir hier vertreten. Mit der Erbpacht verschaffen wir auch der nächsten oder übernächsten Generation in diesem Stadtrat Gestaltungsmöglichkeiten. Wir bremsen die rasante Bodenpreissteigerung und sind so in der Lage günstigen Wohnraum zu schaffen. Für die Bunte Liste ist klar, dass wir stets die Interessen der Allgemeinheit, also das Gemeinwohl, vertreten.
Vielleicht war ich deswegen auch so entsetzt gegen Ende der letzten Stadtratssitzung im November.
Denkmalschutz dient dem Gemeinwohl
Neben der mehrheitlich seltsamen Interessensvertretung war aber der Umgang mit unserer Verwaltung in dieser Sitzung, für mich persönlich nur schwer auszuhalten. Der von Euch mit viel Herzblut, hoher Qualität und vorbildlicher Bürger*innenbeteiligung erarbeitete Rahmenplan „Hintere Insel“ wurde ohne Grund vom Tisch gefegt. Wir haben mitgelitten, auch weil wir Bunten in den vergangenen Jahren sehr gut mit Euch zusammengearbeitet haben. Und weil wir auch noch viel mit Euch vorhaben.
Wir würden gern die Zuständigkeiten beim Thema Mobilität neu organisieren, damit jede Einnahme bei den Parkgebühren direkt in den öffentlichen Verkehr fließen kann oder endlich die Organisation der Immobilienverwaltung zu einem guten Ergebnis bringen. Auch die Gestaltung der Schullandschaft braucht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung.
Als Ausdruck unseres Dankes möchten wir den Mitarbeiter*innen der Verwaltung gern ein kleines Geschenk überreichen.
Um das zu verstehen, sehr geehrter Herr Geheimrat Dr. Ecker, muss ich leider wieder aus einer nichtöffentlichen Veranstaltung berichten.
Dort formulierte einer aus der von uns geschätzten Verwaltungsriege (Zitat):
„Ich brenne für Lindau“
Und nachdem wir das Gefühl hatten, dass Ihr in dieser Nacht der Novembersitzung von einer Mehrheit des Rates „sauber abgelöscht“ wurdet, bekommt Ihr von uns ein Päckchen Streichhölzer, verbunden mit der Bitte, Euch wieder zu „entzünden“.
Zum Wohle von Lindau!
Uli Kaiser