“Zur Einweihung des neuen Bahnhalts in Reutin” – eine PM der Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof

Zur Einweihung des neuen Bahnhalts hat die Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof, die von der Bunten Liste unterstützt wird, eine Pressemitteilung mit einer kritischen Würdigung des neuen Bahnhalts herausgegeben, die wir nachstehend im Wortlaut veröffentlichen:

Am 13. Dezember 2020 wird der neue Bahnhalt in Lindau-Reutin unter Anwesenheit etlicher Prominenz eingeweiht. Dies ist abseits der zu erwartenden offiziellen Lobesreden ein für Lindau außerordentlich erfreuliches Ereignis. Ganz nebenbei wird damit im Kern auch eine Forderung der Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof Lindau erfüllt, welche diese so ähnlich seit 1998 öffentlich erhebt.

Vor dem aktuellen Hintergrund der Dauerkrise auf den Autostraßen sowie der bereits begonnenen Klima- und Umweltkrise muss aber auch nachdrücklich darauf hingewiesen werden, welche weiteren Maßnahmen von der lokalen, der Landes- und der Bundespolitik umgehend verwirklicht werden müssen, um „auf der Höhe der Zeit“ die Verkehrsprobleme in Stadt und Region Lindau grundsätzlich, ökologisch verantwortlich und menschenfreundlich zu lösen. Dabei kann ein funktionierendes Eisenbahnsystem nicht nur örtlich punktuell errichtet, sondern muss zumindest regional gedacht und verwirklicht werden.

So wurden beispielsweise die ursprünglich erwogenen Pläne, die zu elektrifizierende Bahnstrecke von Friedrichshafen nach Lindau endlich auch zweigleisig auszubauen bis heute nicht verwirklicht. Entsprechende Behinderungen von gegenläufigen verspäteten Zügen werden bleiben, weitere Verspätungen provozieren und weitere Fahrgäste vergraulen. Die am 25. November 2020 bekannt gewordenen Pläne des Landes Baden-Württemberg und  der DB Regio AG, ab 2022 neben den BOB-Zügen zwischen Friedrichshafen und Aulendorf sowie der Regionalbahn zwischen Ulm/Langenau über Laupheim/Stadt nach Biberach dann zusätzlich auch zwischen Friedrichshafen und Ulm auf der dortigen zweigleisigen Südbahn pro Stunde zwei durchgehende RegionalExpress-Züge verkehren zu lassen, ohne direkte Anbindung von Lindau, verdeutlichen, dass der zweigleisige Ausbau der Strecke Lindau-Friedrichshafen dringend geboten ist, um diese Zugfahrten problemlos bis nach Lindau verlängern zu können.. Die Stadt Lindau muss bei den anstehenden Baumaßnahmen an der doppelten Straßenunterführung der Schachener Straße unter den Bahngleisen bereits baulich berücksichtigen, dass die Streckenabzweigung in Aeschach-Holben nach Friedrichshafen zweigleisig ausgebaut werden muss.  

Ein weiterer gewichtiger Strukturmangel für ein leistungsfähiges Eisenbahnsystem von und nach Lindau ist immer noch, dass die Allgäu-Eisenbahnhauptstrecke von Hergatz über Kempten nach Buchloe bis heute nicht elektrifiziert wurde, ja Landespolitik und Bahnmanagement aktuell gar nicht daran denken.

Im Stadtgebiet sowie im Landkreis Lindau gehört zu einem zukunftsfähigen und kundenfreundlichen öffentlichen Verkehrswesen zwingend auch, dass die seit Jahren versprochenen alt-neuen Bahnhaltestellen in Lindau-Aeschach Richtung Allgäu, in Oberreitnau, Weißensberg, Schlachters und Hergensweiler endlich errichtet werden. Doch auch damit wurde bis heute noch immer nicht begonnen. Ebenso wird die durch Unterschriftensammlung in Lindauer Betrieben eindrücklich unterstrichene Forderung nach einem Bahnhalt im Stadtteil Lindau-Zech weiterhin von der bayerischen Landespolitik sowie dem DB-Management rundweg abgelehnt.

Dieses Management der Deutschen Bahn AG weigerte sich auch, in Reutin neben die neuen Bahnanlagen auch ein fahrgastfreundliches multifunktionales Bahnhofsgebäude mit den notwendigen Serviceeinrichtungen zu bauen, bzw. das bisherige entsprechend zu modernisieren. Doch wenn jemand anders ein derartiges Gebäude erstellen lasse, dann wolle sich das DB-Management dort einmieten. Erst nachdem die Lindauer Stadtverwaltung Verhandlungsdruck aufbaute, war das DB-Management zum zeitnahen Verkauf des bisherigen Reutiner Bahnhofsgebäudes überhaupt bereit. Inzwischen sind der Stadtrat Lindau sowie die Verwaltungsspitze in der Pflicht, rasch zu entscheiden, ob sie das Reutiner Bahnhofsgebäude aus dem Jahre 1911 grundlegend sanieren, modernisieren und ausbauen lassen, oder durch ein neues Bahnhofsgebäude ersetzen lassen wollen. Die kommende Verkehrsdrehscheibe Berliner Platz in Reutin benötigt dort auch zwingend rasch ein funktionierendes Bahnhofsservicegebäude.

Die Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof will es nicht versäumen, nochmals darauf hinzuweisen, dass es die Weigerung des DB-Managements war, das nördliche Gleis 1 im Bahnhofsgelände Reutins nach Süden zu verlegen, um dadurch rund um das Reutiner Bahnhofsgelände mehr dringend benötigten Platz zu ermöglichen. Als Begründung für diese Verweigerungshaltung argumentierte das DB-Management im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens wiederholt mit 10 Millionen Euro Zusatzkosten, die dadurch für die DB entsehen würden. Sie müsste dann für eine derartige Südverlegung des Gleises 1 in die bisherigen Schotterbette, Strommasten und Fahrbahndrähte eingreifen, was diese Zusatzkosten hervorrufen würde. Inzwischen wurden trotzdem alle Schotterbette im Bahnhofsbereich Reutin, alle Strommasten sowie alle Fahrdrähte ausgewechselt, aber die geforderte Südverlegung des Gleises 1 fand nicht statt und der dringend benötigte zusätzliche Platz am Bahnhofsgebäude fehlt.

Ähnlich beklemmend und nur kurzfristig gedacht ist der Beschluss der Lindauer Stadtratsmehrheit vom Frühsommer 2014, nach der Eröffnung des neuen Bahnhaltes in Reutin auf der Insel Lindau die Gleisanlagen vom dortigen Hauptbahnhofsgebäude trennen und auf die Höhe des früheren Hauptpostgebäudes (heute Stadtarchiv und Stadtbücherei) zurückverlegen zu lassen. Mit diesem Beschluss wird Bahninfrastruktur in der Stadt zerstört. Damit würde ein Beitrag dazu geleistet werden, das System Eisenbahn in Stadt und Region Lindau weniger leistungsfähig zu machen. Literarisch beurteilt, muss von einem Schildbürgerstreich der Lindauer Stadtratsmehrheit gesprochen werden, der mit zukunftsfähiger Verkehrspolitik nichts, mit profitträchtiger Grundstücksspekulationspolitik jedoch übermäßig zu tun hat.

Ergänzend muss erwähnt werden, dass es neben all den in die Zukunft gerichteten Erfordernissen auch in Lindau notwendig ist, diesen Blick mit einem Blick in die Vergangenheit zu verbinden. Deshalb ist es geboten, daran zu erinnern, dass das DB-Management die verbliebenen Gebäude des alten Bahnbetriebswerkes westlich des Hauptbahnhofes auf der Insel aus dem Jahre 1853 sowie das mechanische Stellwerk des Reutiner Bahnhofes an der früheren Bahnüberführung Bregenzer Straße aus dem Jahre 1911 zu fairen Preisen an die Stadt Lindau verkauft. Dann kann die Stadt Lindau beide Gebäude zukunftsweisend und gleichzeitig der eigenen Verkehrsgeschichte gerecht werdend einer am Gemeinwohl orientierten zukünftigen Nutzung zuführen. 

Karl Schweizer    (Sprecher der Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof Lindau)