“Wohnen in Lindau” – Bericht zum Themenabend

Zur üblichen Tatort-Zeit kamen zahlreiche Besucher*innen zum Themenabend „Wohnen In Lindau“ der Bunten Liste in den Gasthof Köchlin. Auch der Leiter des Stadtplanungsamtes Kay Koschka und der GWG-Geschäftsführer Alexander Mayer waren der Einladung gefolgt. Mayer ließ es sich nicht nehmen, einen Tag vor dem 90-jährigen Jubiläum des städtischen Wohnungsunternehmen zu kommen.

Bevor jedoch, wie angekündigt, der OB-Kandidat Daniel Obermayr über Chancen, Möglichkeiten und Visionen für ein bezahlbares, soziales und nachhaltiges Wohnen in Lindau referierte, führte Moderator und Stadtrat Matthias Kaiser mit Auszügen aus dem Wahlprogramm der Bunten Liste von 1996 zum Thema ein. Von „sich zuspitzender Wohnungsmisere“ war damals die Rede … und tatsächlich, wen wundert‘s, bis heute gibt es noch einige offene Punkte, wie z.B. die Bildung von Mieterbeiräten bei der GWG, die Einrichtung eines Mietpreisspiegels oder die Unterstützung genossenschaftlichen Bauens/Wohnens. Letzteres dürfte kurz- bis mittelfristig abgehakt sein, so Obermayr. Die frisch gegründete Lindauer Wohngenossenschaft „quartier4“, bei der er selbst Gründungsmitglied ist, hat sich als Hauptziel die Erstellung von bezahlbarem Wohnraum gesetzt – der Rahmenplan „Hintere Insel“ bietet sich für solch ein nachhaltiges Projekt an. Wichtige Punkte zur Verhinderung von explodierenden Immobilienpreisen sind für Obermayr die Ausübung des Vorkaufsrechts aller bebaubaren Grundstücke durch die Stadt – notfalls mit Satzung. Darüber hinaus sollen künftig keine städtischen Grundstücke und Immobilien mehr an Dritte veräußert werden – kein Ausverkauf von Tafelsilber – lediglich auf Erbpachtbasis. Grundsätzlich will er keine leichtfertige planerische Umwandlung mehr von Gewerbe- in Wohngebieten, so wie es beim Cofely-Arreal geschehen ist und es sich die Firma Rhomberg beim Kunert-Areal wünscht. Dies führe erneut zu Baudruck auf der grünen Wiese und zu weiterer Versiegelung kostbarer landwirtschaftlicher Flächen. Was ihm ebenfalls Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass der im ISEK ermittelte Bedarf von 1800 fehlenden Wohnungen nur allgemein dargestellt ist. Es wird keine Aussage getroffen über die Wohnungsgrößen und für welche Zielgruppen überhaupt Bedarf besteht. Obermayr ist der Meinung, dass die allerorts neu erstellten Wohnungen überwiegend am Bedarf vorbei gehen und hauptsächlich der Geldanlage oder als Zweitwohnung dienen würden.

Als Beleg dafür sieht Obermayr, dass in den letzten Jahren durchschnittlich ca. 100 neue Wohnungen pro Jahr gebaut wurden, die aber keine Erhöhung der Einwohnerzahlen zur Folge hatten. Chefplaner Koschka ergänzte, dass der Stadtrat erst kürzlich eine Satzung beschlossen habe. Damit können repräsentative Daten zur Erstellung eines Gutachtens über die Nettokaltmiete in der Stadt erhoben werden. Man erhoffe sich davon brauchbare Daten über den genauen Bedarf, um zielgerecht planen zu können. Zudem wird von der Verwaltung derzeit eine Satzung zur Reglementierung von Zweitwohnungen erarbeitet. GWG-Chef Mayer brachte ein, es reiche in der Tat nicht aus, den explodierenden Mietmarkt nur durch „Bauen, Bauen, Bauen“ zu begegnen. Stattdessen möchte er ein günstiges Mietniveau halten, indem Sozialwohnungen länger gefördert werden sollen. Üblicherweise geschieht dies bis zu 30 oder 40 Jahren. Dann müssen die Objekte komplett generalsaniert werden, was in der Regel höhere Kostenmieten und entsprechende Mietsteigerungen zur Folge hat. Die Förderrichtlinien müssten deshalb staatlicherseits angepasst werden und dies will die GWG letztendlich sogar gerichtlich einfordern. Erfreulich in diesem Zusammenhang die Aussage, dass das wegen feuerpolizeilicher Bedenken evakuierte Gebäude in der Dreierstraße nach Sanierung wieder für Sozialwohnungen zur Verfügung stehen wird. Ein städtebaulich starkes Signal für die Entwicklung des Berliner Platzes sendete Alexander Mayer in der spannenden Diskussion gegen Ende der Veranstaltung aus. Die Frage von Charly Schweizer beantwortete er damit, dass ein multifunktionales Bahnhofsgebäude (Mobilitätszentrale, Kiosk, Geschäfte etc.) am neuen Bahnhalt Reutin durchaus wirtschaftlich rentabel betrieben werden könne. Er könne sich die GWG als idealen Investor und Vermieter vorstellen.

Daniel Obermayr ergänzte und beendete mit diesem Schlusssatz die gelungene Veranstaltung: „Mit dem städtischen Vorkaufsrecht im Rücken dürfte der Erwerb der notwendigen DB-Grundstücke für uns als Stadt kein Problem sein.“

Matthias Kaiser