Werte Kolleginnen und Kollegen,
gestatten Sie mir einen Rückblick auf die gute, alte Zeit der Haushaltsberatungen. Wir bekamen Haushaltsentwürfe, aus denen noch Millionen herausgekürzt werden mussten, um sie auszugleichen. Die Amtsleiter kämpften wie die Löwen um ihr Geld. Die dabei gezeigten schauspielerischen Leistungen wurden von der Bunten Liste mit dem Wanderpokal des Haushaltsoskars premiert.
Heutzutage ist diese Bühne verwaist. Die Dramen spielen sich lang vor den Haushaltsberatungen im Büro von Herrn Reutin ab, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es mag sein, dass diese Tage im November früher spannender waren und wir Stadträte mehr Einblick bekamen in das Innenleben der Verwaltung. Dafür aber ist die Haushaltsaufbereitung heute professioneller und vorausschauend. Dies meine Damen und Herren von der Kämmerei war ein Lob.
Doch am Horizont dieses 2014ner-Haushalt tauchen auch zwei Posten auf, die aus Bunter Sicht problematisch sind. Dies ist zum Einen die gewaltige Verpflichtungsermächtigung für die Bahnunterführung.
Wir sind nach wie vor der Meinung, dass dieser städtebauliche Selbstmord
aus Angst vor der Schranke eine tiefe Wunde in das Herz dieser Stadt reißt. Es wird Jahrzehnte dauern bis diese heilt, wenn überhaupt.
Unsere Stadt erfreut sich sommers und neuerdings auch winters steigender Beliebtheit, trotz der Bahnschranken. Die steigenden Zugzahlen ließen sich durch technische Investitionen ausgleichen. Dafür brauchen wir aber die Mitwirkung der DB AG. Da diese nicht zu erkennen ist, beugen wir uns hier der demokratischen Mehrheit.
Der andere Posten ist eher unscheinbar und versteckt sich im Haushalt des Regiebetriebs Parkraumbewirtschaftung. Dort sind Planungskosten für ein Parkhaus eingestellt. Hier versprechen wir, unsere geballte, bunte Macht dafür einzusetzen, dass diese Mittel nicht ausgegeben werden. Dieses Parkhaus anstelle des Jahrmarktrummels ist ein verkehrsplanerischer und städtebaulicher Schildbürgerstreich. Lindau, diese stadtgewordene schwäbische Hausfrau, gibt niemals 8 Millionen Euro für hundert betonierte Parkplätze aus.
Ansonsten ist dieser Haushalt in Ordnung: Es gibt wieder hohe Summen für
Schulsanierung und Ausbau von Krippenplätzen sowie für die Kultur und die Streichung eines kleinen Wortes beschert der Stadtgärtnerei jährlich wiederkehrend ein plus von 20.000,–€ zur Pflege des immer älter werdenden Baumbestandes unserer Gartenstadt. Auch die erfreulich unbürokratische Umschichtung von Geldern aus dem Tiefbau um die Vorgaben für eine fahrradfreundlichen Stadt zu erfüllen, ist lobenswert. Genauso wie die Tatsache, dass die, durch stark gesunkene Zinsen, freigewordenen Mittel auch zur Schuldentilgung eingesetzt werden.
Nachdem in einer Demokratie keiner von uns – mit Ausnahme unseres geschätzten OBs – sicher sein kann, auch in einem Jahr noch in diesem Rat zu sitzen, gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu Stadtrat und Verwaltung.
Die Zusammenarbeit im politischen Gremium könnte besser nicht sein. Trotz aller unterschiedlicher Ansichten, die es ja nach wie vor gibt, wurde meist sehr respektvoll um die besten Lösungen gerungen. Diese Arbeitsweise würde ich allfälligen NachfolgerInnen in diesem Rat wärmstens empfehlen.
Der Lindauer Motor kommt aber dann ins stottern, wenn die Zahnräder von Stadtrat und Verwaltung aneinander geraten. Und hier auch nur in einigen Gängen. Während Teile diese Motors wie geschmiert laufen, ist bei anderen doch erheblich Sand im Getriebe. Es wurden von Seiten des Rates mehrere Reparaturvorschläge gemacht, deren Begutachtung in diversen Projektgruppen schon zuviel Zeit gekostet haben.
Hier drängt dieselbe. In nur vier Monaten nimmt ein neuer Stadtrat die Arbeit auf. Dieser ist dann vermutlich erst mal mit sich selbst beschäftigt. Und ab 2015, wenn die Großprojekte starten, muß unser Motor Stadt Lindau schnurren und anziehen wie ein Elektromobil. Wir sind überzeugt, dass die Probleme weit mehr an den Strukturen als an den Personen festzumachen sind. Hier bietet die Bunte Liste ihre in Summe über 100 Jahre Stadtratserfahrung zur Mithilfe an.
Ach ja, die Bunte Liste stimmt diesem Haushalt zu.
Uli Kaiser
Wir haben in der Stadtratssitzung eine getrennte Abstimmung beantragt, konkret stimmten wir dem Gesamthaushalt zu, mit Ausnahme einer Verpflichtungsermächtigung über 7 Mio € für den Bau der unsäglichen Stadt zerstörenden Bahnüberführung Langenweg.